Haunstettens großer Wurf

In einer atemberaubenden Partie besiegen die Zweitliga-Frauen den Favoriten Bensheim mit 22:21. Trainer Herbert Vornehm war anschließend „fix und fertig“

Von Wolfgang Langner

pati


Als endlich die Schlusssirene ertönte, glich die Halle einem Tollhaus. Nachdem die Haunstetter Fans ihre Mannschaft über 60 Minuten lautstark und mit großen Trommeln unterstützt hatten, entlud sich nun das Ventil komplett. Ein lauter Aufschrei der rund 500 Besucher, der durch die Halle fegte, und ein Knäuel sich umarmender Spielerinnen untermauerten, dass es Fakt war: Der Handball-Zweitligist TSV Haunstetten, als Abstiegskandidat in diese Saison gestartet, besiegte den Titelfavoriten HSG Bensheim mit 22:21.
Trainer Herbert Vornehm schien um Jahre gealtert. Das Interview fand dann im Freien statt: „Ich bin fix und fertig und muss erst eine rauchen. Da wirst du doch verrückt.“ Mit etwas zittrigen Händen zündete er sich eine Zigarette an und schüttelte dabei den Kopf: „So ein Spiel kostet Nerven.“ Es war auch eine irre Partie, in der die Hausherrinnen sogar einmal mit fünf Treffern Vorsprung (16:11) vorne lagen. Aber im Handball geht es halt mal ruck, zuck. „Das wäre dann schon bitter gewesen, wenn wir nur Unentschieden gespielt oder verloren hätten“, sagt Vornehm. Das am Ende „David“ über „Goliath“ triumphiert hat, dafür kann der Trainer Gründe nennen: „Die sind mit unserer offensiven Abwehr nicht zurechtgekommen, aber das war auch ein irrsinniger Kraftaufwand für uns.“
Es sah in der Anfangsphase so aus, als ob die Gäste den TSV Haunstetten nicht so richtig ernst nahmen. Ehe sich Bensheim versah, machte es bumm, bumm, bumm, und Haunstetten führte durch Treffer von Patricia Horner und Sabrina Duschner (2) schnell mit 3:0. Dass die Frauen von Herbert Vornehm fast durchgängig einen Kopf kleiner waren, wurde eher zu einem Vorteil. Bensheim kam mit der wuseligen Art von Haunstetten fast nie zurecht. Aber nicht nur die jungen Wilden sorgten beim TSV Haunstetten für Betrieb. Eine geniale Vorstellung bot vor allem die 31-jährige Rückraumspielerin Annika Schmid. Wohl selten zuvor war Routine so wichtig, wie in dieser Partie.
Als es nach der Pause eine Phase gab, in der die jüngeren Spielerinnen die Partie etwas aus dem Auge verloren, führte Schmid fast gluckenhaft ihre „Küken“ wieder aus dem Tal. Schon allein ihre Kaltschnäuzigkeit am Siebenmeterpunkt ließ Bensheim oft verzweifeln.
Während der gesamten Partie lag Haunstetten immer vorne, doch am Schluss wurde es unglaublich eng. Fünf Minuten vor dem Ende war noch alles im grünen Bereich. Schmid versenkte einen Siebenmeter zum 20:18. Doch der Deckel war noch nicht drauf. Bensheim glich zwei Minuten später zum 20:20 aus. Christine Königsmann traf zum 21:20 und in der Halle begann das kollektive Zittern. Als Bensheim erneut der Ausgleich gelang, stand Vornehm mit hängenden Schultern, den Kopf in Richtung Boden geneigt, in der Halle. Aller Kraftaufwand umsonst? Doch wenn du glaubst, es geht nichts mehr, dann kommt irgendwann Sabrina Duschner daher.
Die Torjägerin wartete mit ihrem großen Auftritt bis neun Sekunden vor dem Ende. Während sie mit dem 22:21 der HSG Bensheim einen regelrechten Stich ins Herz versetzte, verwandelte sie die Halle in das eingangs erwähnte Tollhaus und zauberte zugleich ihrem Trainer wieder ein Lächeln ins Gesicht.

 
TSV Haunstetten Müller, Frey; Horner (5), Königsmann (2), Frank, Drasovean (1), Duschner, (4) Hochmair (1), Niebert, Merditaj, Kurstedt, Schmid (9/6) Zuschauer 500

 

Quelle: www.augsburger-allgemeine.de